Nach der Grenze fahren wir über 400 Kilometer Landstraße geradeaus, um uns herum immer dieselbe Landschaft, die wüstenähnlich und sehr trist ist. Die Städte an denen wir vorbeifahren sind eher unscheinbar, die Leute wirken arm, die Häuser sind heruntergekommen.
Dima will etwas schlafen und überlässt mir das Steuer. Nach drei Stunden werden wir von einem Polizisten angehalten. Da auf das Gespräch mit Frauen hier nicht wirklich wert gelegt wird, wird Dima ins Revier gerufen. Angeblich wurde ich dreimal geblitzt und habe über zehnmal das Rechtsfahrgebot nicht eingehalten. Ist klar, auf jedem Bild schläft Dima, obwohl er nur für circa 30 Minuten die Augen zugemacht hat. Ich fühle mich dezent verarscht und wir zahlen unser zweites Schwarzgeld um der höheren Strafe zu entgehen. Willkommen im Osten. Die Polizeiflotte besteht übrigens ausschließlich aus BMWs. Ist auch klar.
In Baku angekommen ändert sich die triste Wüstenlandschaft schlagartig. Little Dubai lässt grüßen: Häuser und Fassaden voller Prunk und Protz, Ölplattformen vor der Küste, große Unternehmenszentralen, dicke Autos und Goldkettchen im Übermaß. Die Stadt als Landeszentrum könnte kontrastreicher nicht sein: alte persische Architektur trifft auf Sowjetbauten. Daneben stehen Jugendstilvillen, die stark an Paris erinnern. Sandstein versus Stahlbeton, Hammamkuppeln versus Hochhäuser, kleine schattige Gassen versus achtspurige Stadtautobahnen. Während wir dort sind bereitet sich die Stadt auf die Formel 1 Meisterschaft vor, wofür extra drei Schichten Asphalt verlegt wurden, die im Anschluss wieder entfernt werden.
Bei einer unserer beliebten Free Walking Touren lernen wir, dass die Aserbaidschaner der Oberklasse russisch miteinander reden – das gilt als chic. Wer kein russisch spricht wird nicht in den besagten Kreisen aufgenommen. Da bin ich wohl leider raus mit meinen kläglichen Sprachversuchen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist muslimisch, jedoch weniger streng praktizierend als in der Türkei. Noch immer ist Ramadan und während in der Türkei die Straßen untertags leer waren, ist in Baku davon nichts zu spüren. Auf den Straßen gibt es Alkohol und die meisten tragen europäische kurze Kleidung aller uns bekannten Marken. Viel islamische Tradition ist verschwunden als die Russen hier die Oberhand hatten. Das Ölgeschäft dominiert in diesem Land das Leben und ich stellte die Frage mehr als einmal was passiert, wenn das Öl aufgebraucht sein wird. Es ist keine unrealistische Frage, aber die meisten hier wollen davon nichts wissen. Als wir von den breiten Promenaden abbiegen und etwas hinter die Prunkfassaden schauen, finden wir viele zum Teil verlassene Baustellen vor. Nach dem Fall des Ölpreises wurde nicht mehr weiter investiert und auch in den symbolischen Flame Towers von Baku brennen am Abend nur wenige Lichter, obwohl eines davon ein Wohnhaus und eines ein Hotel sein soll. Es scheint mehr ein Relikt des Ölbooms zu sein als eine genutzte Immobilie. Unser Guide ist Mitte Zwanzig und er erzählt von seinen Freunden, die etwas Neues wollen, in Start-Ups arbeiten und investieren, neue Geschäftsfelder erschließen um unabhängig von Öl und Gas zu sein. Sie sprechen kein russisch und werden dafür von der älteren Generation kritisiert. Sie wollen sich in eine andere Richtung bewegen, selbstbestimmt und frei sein, reisen und die Welt entdecken. Das wird in Aserbaidschan aber noch von den wenigsten verstanden. Danke Ganni für diese tolle Tour.
Drei Tage tauchen wir ein in diese faszinierende, vielseitige Stadt, die an manchen Ecken unterschiedlicher nicht sein könnte. Äußerlich ist Baku eine europäische Metropole, aber tief drinnen noch weit von Europa entfernt.
Auf einer unserer erfolglosen Fahrten zum Hafen (siehe unten) halten wir bei den unter den Touristen beliebten Mud Volcanos an. Man findet dort nicht so einfach selbst hin und so treffen wir zufällig am Museum des Nationalparks in Qobustan einen Taxifahrer der sowieso seinen Gast dorthin fährt und wir können ihm folgen. Seinen Fahrgast nennt er ununterbrochen Jaques Chirac. Nach einem kurzen Gespräch mit diesem erfahren wir, dass er natürlich Franzose ist und dass es das einzige ist, was der Taxifahrer, der ihn hier rum kutschiert, seit zwei Stunden zu ihm sagt. Mehr Konversation ist aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht möglich. Wir lassen uns vor den Vulcanos noch Hieroglyphen zeigen, die angeblich vor tausenden von Jahren in die Felsen gemeißelt wurden. Bei manchen sind wir uns allerdings nicht sicher ob sie nicht doch vielleicht erst kürzlich rein gekratzt wurden. Der Taxifahrer weist uns an unsere Wasserflaschen gegen das Knie zu schlagen. Das vertreibe die Schlangen, also laufen wir Wasserflaschenschlagend durch die Steine, zusammen mit Jaques Chirac, bevor es zu den Mud Vulcanos geht. OK, sie sind kein Mega Highlight, aber es ist durchaus witzig, wie der Matsch mit einem lauten Blubb aus den kleinen Vulkanen spritzt. Wir amüsieren uns köstlich und da man hier nicht viel Beschreiben kann, ein kleines Video anbei:
Da wir für Turkmenistan leider kein Visum bekommen haben, setzen wir am übernächsten Tag mit der Fähre nach Kasachstan über.
Tipps und Hinweise für Weltenbummler:
Es gibt keine Transfervisa mehr für Turkmenistan in Baku oder Tiflis. Ihr müsst sie in Eurem Heimatland beantragen und könnt sie dann entweder in Tiflis oder Baku abholen oder auch direkt bei Einreise in Turkmenistan an der Grenze in Empfang nehmen. Leider ist uns das bei unserer Recherche im Vorfeld durch die Lappen gegangen und wir haben es verpasst unser Visa in Berlin zu beantragen.
In dem Versuch auf die Fähre nach Kasachstan zu kommen verschenken wir leider ein paar kostbare Tage, da wir statt am Hafen zu warten immer nach Baku zurückfahren. Die Fähre geht vom Hafen in Alat (circa 70 km südlich von Baku), wo es auch die begehrten Tickets gibt. Diese bekommt man erst, wenn eine Fähre bereit steht. Die Schalterbeamten meinten immer wieder: „Nein heute nicht, heute ist schon voll, kommt lieber morgen frühn nochmal“. Da wir also zweimal am nächsten Morgen erst wiederkamen, haben wir zweimal die Fähre knapp verpasst, da sie bereits Nachts gestartet ist. Beim dritten Mal entscheiden wir uns dafür am Hafen zu bleiben und zu campen. OK, es gibt schönere Plätze zum Übernachten, aber für uns war es die einzige Möglichkeit aus Aserbaidschan raus zu kommen. Glücklicherweise hatten wir für unser Auto ein 30 Tages Visum. Bei älteren Modellen muss man wohl innerhalb von drei Tagen das Land verlassen.
Die Fähre kostet uns 460 USD, wobei für Kolya, weil er so lang ist 300 USD veranschlagt wurden. Hätte auch schlimmer kommen können, denn ein Meter kostet 100 USD und Kolya ist vier Meter lang. Für uns beide zahlten wir 80 USD pro Person für eine Doppelkabine. Es geht auch ein bisschen günstiger in Mehrbettzimmern.
Nach 24 Stunden überraschend ruhiger Fahrt, 50 Stempeln an der Grenze und erfolgreich abgewehrten gierigen Grenzbeamten später, erreichen wir Kasachstan. Vielen Dank an der Stelle an einen anderen Kolya, den Schichtleiter der kasachischen Grenzler. Nachdem er von unserem Vorhaben erfahren hat, führte er Dima einigermaßen schnell durch die ganze Prozedur. Ich bin nicht sicher, wie man das Theater ohne russische Sprachkenntnisse meistern kann.
In Kasachstan verbringen wir nur eine Nacht, bevor wir zur Grenze nach Usbekistan fahren. Wir kehren aber später wieder zurück.
Geschrieben von Jana
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danke für diese wie ich meine sehr ehrliche authentische reportage. ich beneide euch für diese tolle abenteuerreise mit all ihren höhen und tiefen. tolle bilder.
es beindruckt mich auch, das ihr euch nicht zu schade ward, die fehlerhafte allradeinstellung in der geländefahrt zu erwähnen, und die abgebrannte kupplung. danke für diese offenheit, dies unterstreicht die echtheit, man kann beim lesen beinahe mitfühlen und mitleben.
lieben gruß – alles gute.
Hallo Flori, vielen Dank für Deine netten Worte. Wir freuen uns, dass Dir unser Beitrag gefallen hat. Liebe Grüße, Jana