Der letzte Teil unseres Weges in Russland hat uns schwer beeindruckt. Selbst Dima, der die Größe des eigenen Landes kennt, haben die unendlichen Weiten überrascht. Wenn man tagelang durch das schier endlose Sibirien fährt, wird einem so richtig bewusst wie riesig und vielfältig Russland eigentlich ist. Allein dieser fernöstliche Teil des Landes vereint buddhistische Klöster, weiße Sandstrände am Baikal, schneebedeckte Berge, unzählige Seen, tausende Flüsse, endlose Wälder der Taiga und eine wunderschöne Pazifikküste unter einem Dach. 1000 Km von Stadt zu Stadt sind in Sibirien nichts. Das Gefühl der Freiheit um uns herum hat uns so richtig durchatmen lassen. Beim Campen an Seen und Flüssen konnten wir die Welt um uns herum für eine Weile so richtig vergessen. Die traumhaften Birkenwäldchen und Holzhäuser sind einfach wunderschön und typisch sibirisch.
Angefangen haben wir in der Nähe von Ulan-Ude, in Iwolginsk, einem buddhistischen Kloster. Russland habe ich bisher nie mit Buddhismus in Verbindung gebracht, aber auch diese Lehre ist hier vertreten. Die Mönche im Kloster hüten ein kleines Wunder: Den „lebenden“ Körper des 1927 (während der Mediation) verstorbenen Lama Itigelow. In seinem Testament verfügte er, dass sein Körper nach 75 Jahren wieder ausgegraben werden soll. Bei seiner letzten Exhumierung wurden an Gewebe und Haut kaum Verwesungserscheinungen festgestellt, deshalb glauben auch die Mönche daran, dass er noch lebt. In der Tat, je länger man ihn anschaut, desto lebendiger erscheint er. Die Wissenschaft hat bisher keine Erklärung für dieses Phänomen gefunden - schon eine Begegnung der anderen Art, irgendwie.
Weiter ging es zum Baikalsee, mal wieder ein bisschen abschalten. Wir waren vor vier Jahren schon einmal an diesem sagenhaft riesigen See, aber auf der westlichen Seite. Von weißem Sand und rauschenden Wellen werden wir begrüßt. Es sieht ein bisschen nach Ostsee aus, nur das wir hunderte Kilometer Wald um uns herum haben. Hier genießen wir das Camperleben, holen Wasser aus dem See oder am Brunnen, essen mehrfach den beliebten Baikalfisch Omul und trinken russischen Wein - der muss nicht probiert werden ;).
Nach nur vier Tagen müssen wir leider weiter. Wir würden es noch eine Weile aushalten, aber der Kalender mahnt zur Abreise. Wir fahren zum Selenga Delta. Der Selenga Fluss entspringt in der Mongolei und hat uns ein gutes Stück unserer Reise begleitet. Mehrfach haben wir an seinem Ufer schon unser Dachzeltzelt hochgefahren. Im Delta buchen wir uns eine Bötchentour und erkunden das Gebiet mit Hilfe von Wolodja. Ein Haus mit dem einzigen orangenen Dach im Ort Istomino führt uns zu ihm. Werbung macht er nicht, obwohl er das schönste Boot im Dorf hat und an einer Tourbasa auf seinem Grundstück baut. Er zeigt uns sogar „seine“ kleine Insel – ruhig und menschenleer, wie in der Mongolei. Leider suchen wir mal wieder vergeblich die Baikalrobbe.
Dann startet unser letztes langes Stück Weg nach Wladiwostok. 3600 km liegen vor uns. Der einigermaßen gut befahrbare „Amur Highway“ führt von Ulan-Ude direkt nach Chabarowsk und von dort nach Wladiwostok. Die Straße wurde 2010 fertiggestellt und damals von Putin in einem gelben Lada inspiziert. Unter den sibirischen Wetterverhältnissen braucht der Asphalt häufig Reparaturen und somit ist die Strecke stellenweise voll mit Baustellen, die mit den Ausbesserungen kaum hinterherkommen. So manche, uns wenig bekannte Stadt, wie zum Beispiel Blagoweschensk, hat uns auf der Durchreise überrascht. Direkt an der chinesischen Grenze und nur durch den Fluss Amur getrennt bietet es eine bunte Mischung aus alter zaristischer Architektur, Leninstatuen und chinesischen Werbeschildern. Direkt auf der anderen Seite des Flusses ist ein Riesenrad zu erkennen, welches schon zu China gehört und von den Ausflugsbooten winken sich chinesische und russische Touristen zu. Das erinnert uns daran, dass wir eigentlich im tiefsten Asien sind, was wir auf dem Weg durch die dichte Taiga ganz vergessen haben.
Hinter uns ist China:
Chinesische Autos vor zaristischen Gebäuden
Auch Khabarowsk mit seiner wunderschönen Promenade, den vielen restaurierten Häusern in der Innenstadt ist eine positive Überraschung und eine willkommene Abwechslung nach der anstrengenden Fahrt. Direkt am Amur gelegen lädt es zu einer Schifffahrt ein und die gute Restaurantszene zu erkunden. Doch es ist nicht alles schön in Sibirien: Es gibt Städte, die sind grau und trübsinnig, wie das industriell geprägte Chita zum Beispiel. Große Plattenbauten, Autoabgase und alte Fabriken bestimmen dort das Bild. Das Dekabristenmuseum lohnt sich aber dennoch und man kann viel über die Helden der damaligen Zeit erfahren. Es gab sogar eine tolle deutsche Führung.
In knapp zwei Wochen haben wir über den „Amur-Highway“ unser Ziel erreicht. Die Straßen bis dahin waren in einem guten Zustand und viel besser als erwartet und die Camping Spots an Seen und Flüssen richtig schön. Ok, bis auf die Mücken, aber „No Bite“ ist die beste Begleitung.
Bevor wir nach Wladiwostok reinfahren, campen wir noch eine Nacht am sogenannten Glass Beach. Hier wurden vor Jahren Glasflaschen und Reste einer Porzellanfabrik abgeladen. Die Natur hat daraus wunderschöne Steine geformt und in der Sonne glitzernde Kunstwerke geschaffen.
Wenn man nicht gerade zum Sonnenaufgang wach ist, sieht es hier leider so aus:
Aber der Sonnenaufgang lohnt sich auch wenn die Wolken die Sonne versperren. Ach und wer dachte, die Sonne geht über Japan auf, der irrt sich. Es ist Russland, wo sie sich blicken lässt. Nur knapp hat sie Japan verfehlt - aber verfehlt ist verfehlt.
Wladiwostok ist eine pulsierende Hafenstadt am Pazifik mit maritimen Flair, satten Grünflächen und einer Promenade am Wasser. Neben der Fischindustrie bildet der Handel mit japanischen Autos hier das Kerngeschäft somit bestimmen Autowerkstätten, Autohäuser und Reifengeschäfte das Stadtbild außerhalb des Zentrums. Außerhalb des Zentrums ist man hier leider auf überfüllte Busse oder eben das Auto angewiesen. Radwege gibt es nicht, obwohl die Stadt und die zahlreichen Ziele in der Umgebung für Ausflüge definitiv geeignet wären. Nachdem wir unsere Ausrüstung und das Auto verkauft haben, verbringen wir dennoch ein paar entspannte, sonnige Tage in der Stadt, ganz nah an Japan. Wir stopfen uns mit Meeresfrüchten voll, fahren auf die Insel „Russkiy“, wo nach jahrelanger militärischer Sperre nun die größte Universität in Fernost steht und halten im Safari Park nach Amur Tigern Ausschau.
Im Safari Park gibt es einen schwarzen Ziegenbock. Er heißt Obama....
Ein Manko jedoch sind die ganzen Autos überall. Für die Russen ist ein Auto auch ein Stück Freiheit und somit fahren sie damit bis an den letzten Zipfel eines Sees oder Strandes, wenn die Straße es erlaubt. Das trübt ein wenig das Gefühl der Einsamkeit und oft haben wir an Stränden mehr Autos als Menschen gesehen. Was in Europa undenkbar ist, scheint hier Normalität. Unsere letzten zwei Tage ohne Kolya waren hart. Überfüllte Busse und trampen standen auf der Tagesordnung.
Diese letzten zwei Wochen in Sibirien haben uns positiv geprägt, Lust auf mehr Russland gemacht und zu einem gelungenen Ende unserer Reise beigetragen. Wir wollen auf jeden Fall noch mehr Russland, denn es gibt noch das ein oder andere Fleckchen zu bestaunen.
Fast vier Monate waren wir unterwegs und sind etwas mehr als 25.000 Kilometer gefahren. Es ist schwer auszudrücken, wie wir uns fühlen: Wir sind stolz und erleichtert, gleichzeitig aber auch etwas sentimental, dass das Abenteuer vorbei ist. Wir sind glücklich über all unsere Erlebnisse und zufrieden mit unserer Planung und Organisation, die uns tatsächlich bis nach Wladiwostok gebracht haben. Vier Monate vergingen wie im Fluge. Wir haben so sagenhaft viel gesehen und erlebt, dass wir dies zunächst in unseren Köpfen sortieren müssen. Wir hatten weniger Probleme und Hindernisse als erwartet und unser Auto war uns ein treuer Begleiter. Unser Ziel von Ozean zu Ozean zu fahren und die Aufgabe eine Flasche Atlantikwasser in den Pazifik zu kippen haben wir erfüllt. Was zwischen diesen beiden Ozeanen liegt ist unglaublich. Wie vielseitig und traumhaft schön ist doch unsere Erde, umso schlimmer ist es mit eigenen Augen zu sehen, wie wir Menschen mit ihr teilweise umgehen. An so mancher Grenze haben wir richtig geflucht und einige Länder haben uns den Aufenthalt nicht leicht gemacht. Dennoch wurden wir an jedem Ort mit etwas besonderem Entlohnt, ganz gleich ob das die Natur, die Geschichte zum Anfassen oder auch einfach nur richtig gutes Essen war.
Mit unserer Reise gingen wir auch auf die Suche nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Menschen, die uns begegneten, aber dies ist in wenige Worte kaum zu fassen. Es gibt so vieles, was sie verbindet und was sie unterscheidet. Es gibt überall auf der Welt die hilfsbereiten, liebenswürdigen und interessierten Leute. Es gibt aber auch die, die ihren Müll wegwerfen, die Umwelt vergiften, Tiere aussetzen oder mit Gleichgültigkeit durchs Leben gehen. Es gibt die Traurigen, deren Blicke bis tief ins Mark gehen und diejenigen, die lachend durchs Leben spazieren.
Von einer Welt ohne Grenzen sind wir noch weit entfernt. Hinter den Grenzen Europas ist uns erst bewusst geworden, wie unterschiedlich die Probleme sind, mit denen die Länder zu kämpfen haben und welch enormen Vorsprung wir vor den meisten haben. Sei es in den Bereichen der Infrastruktur, der Bildung oder dem Problembewusstsein der Menschen selbst. Wir können jedem nur empfehlen, selbst so eine Reise zu machen, denn wir haben gelernt zu verzichten und zu genießen. Wir sind dankbar dafür was wir haben und dass wir in Ländern wie Deutschland und Russland so viele Möglichkeiten hatten und haben. Viele Sachen erscheinen uns nun klarer und wir fühlen uns weltoffener als je zuvor.
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Mehr über unsere Abenteuer kannst du in Janas Buch "Auf den Rucksack, Fertig, Los!" nachlesen.
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